Wie viele Rothenburger Sommerfeste gab es eigentlich…
Diese Frage hat den einen oder anderen Mitbürger sicherlich schon einmal beschäftigt und somit ist es vielleicht einmal angebracht, aus verschiedenen Quellen eine Übersicht zu geben.
Gelegentlich wird da vom 237. oder 238. geschrieben und gesprochen und jedes Jahr sowieso von der langen Tradition dieses Festes.
Rein rechnerisch wäre man da ca. im Jahr 1772. Was sagt die Zeitgeschichte? 1756 – 1763 tobte auch in unserer Region der 7-jährige Krieg (1).
Sicher ist, dass die Rothenburger Bürger aus Freude über das Ende des Krieges am 21.März 1763 ein Dank- und Friedensfest mit Kirchgang, Glockengeläut, Umzügen, Illuminationen und Freudenschüssen feierten (2).
Aber bereits im darauffolgenden Jahr brannte am 25.Oktober 1764 fast die gesamte Stadt ab. Es standen nur noch das Schloss, die Kirche und 10 Häuser (3).
Zweimal jährlich fand ein Jahrmarkt zusammen mit einem Viehmarkt statt bei denen die Kämmerei das Buden- und Standgeld erhob (4).
Bereits am 21.Juni 1798 ereilte die Stadt wieder das Schicksal eines verheerenden Stadtbrandes. …von der ganzen Stadt stand nicht mehr als das Schloss (5).
Die Zeit zwischen 1784 – 1811 war für die Lausitz eine unruhige, eine Notzeit…(6).
Mag jeder denken wie er will, aber der Beginn einer langen Tradition sieht anders aus. Sicher, die Menschen in und um Rothenburg waren fleißige und ehrbare Leute und haben es immer wieder geschafft, ihr Leben wieder aufzubauen. Und mit großer Wahrscheinlichkeit haben sie einen guten Tropfen in geselliger Runde nicht verschmäht.
Einem der ältesten Brauchtümer entspringt auch das der Schützenvereinigungen. Leider gibt es auf Grund der schon beschriebenen Tatsachen keine aussagefähigen Überlieferungen, wann wo wie etwas in dieser Richtung entstanden ist.
Einst gehörte die Oberlausitz auch zum Herrschaftsgebiet von August dem Starken (1694 – 1733). Ihm zu Ehren soll das Augustschießen entstanden sein.
Wenn ja, ab wann ?
Andererseits wird dem Monat August der Name des Festes zugeordnet. Letztere Aussage finden wir auch in einem Buch zum Schützenbrauchtum in der Oberlausitz (7) .
Hier wird ergänzt, dass ab 1814 aus Anlass des Geburtstages des Landesherren Friedrich Wilhelm des III. das Augustschießen am 03. August d.J. stattfindet. Nach seinem Tod 1840 wurde es auf den 1.Sonntag nach dem 02.August d.J. verlegt.
1818 schenkten die Damen des damaligen Rothenburger Frauenvereines der Rothenburger Schützengesellschaft eine neue, gestickte Vereinsfahne. 1830 reorganisierten sich die Schützen und es entstand die Rothenburger Schützengilde.
In ihrem Schützen – Artikel vom 12. Juni 1830 heißt es:
§ 1 Der zweite Pfingst- und der darauf folgende Tag eines jeden Jahres ist hiesigen Orts zum
Königsschießen bestimmt.
§ 2 Das Geburtsfest Seiner Majestät des Königs, unser aller gnädigster Landesherr, soll
jedesmal den 03.August jeden Jahres von der Schützengilde durch einen solennen
Paradeauf- und auszug und durch ein Schießen gefeiert werden (12).
So schrieb es Gustav Winkler, Oberlehrer zu Rothenburg, nach dem Krieg in einem leider undatierten Aufsatz zur Geschichte des Sommerfestes.
In der Ausgabe des Rothenburger Anzeigers vom 29.07.1896 finden wir den Hinweis, …mit dem Augustschießen ist bekanntlich das beliebte Rothenburger Volksfest verbunden (8).
Interessant ist in diesem Zusammenhang, das bereits 1907 der Sonntag im Zusammenhang mit dem Augustschießen geschäftsfrei (geöffnet: A.d.R.) war(9).
Roth_Anz_29_07_1896Rothenburger Anzeiger 29.07.1896
Roth_Anz_02_08_1907Rothenburger Anzeiger 02.08.1907
Es gibt auch weitere Hinweise, dass zwar die Schützengilde der Organisator des Augustschießens war, aber eine Zusammenarbeit mit dem Magistrat und der Stadtverwaltung vorhanden war. So hieß es im Rothenburger Anzeiger vom 31.07.1911…“die Stadtverwaltung hat für zahlreiche Schausteller sowie Buden den Vergnügungspark bedeutend vergrößert“.
Am 28.07.1919 gibt der Rothenburger Anzeiger bekannt, dass die Generalversammlung der Schützengilde das Augustschießen am 10. und 11.August nach fünf Jahren wieder durchführt. Anträge auf Plätze und Buden sind sofort an den Magistrat zu stellen. Also auch hier eine Unterbrechung der Tradition von vier, durch den I.Wk bedingten, Jahren.
Roth_Anz_31_07_1911Rothenburger Anzeiger 31.07.1911
Die Schützengilde hat am 01.04.1920 einen Nutzungsvertrag mit der Stadtverwaltung über die Bewirtschaftung des Schützengartens während des Augustschießens abgeschlossen (10). Dabei war auch der Anteil des Budengeldes geregelt, den die Schützengilde von der Stadtkasse erhielt. Es betrug im Jahre 1931 288,00 M; 1932 147,17 M und 1933 155,58 M.
Roth_Anz_10_08_1926Rothenburger Anzeiger 10.08.1926
Roth_Anz_03.08.1942Rothenburger Anzeiger 03.08.1942
Roth_Anz_06_08_1933Rothenburger Anzeiger 06.08.1933
Roth_Anz_06_08_1938Rothenburger Anzeiger 06.08.1938
Wie ging es weiter nach 1945?
In einem leider undatierten Schreiben eines mir bisher unbekannten Rothenburger Bürgers (liegt dem Verfasser vor) heißt es u.a.: Trotz der großen Aufgaben, die zu bewältigen waren, wurde der Gedanke wach, dem damaligen Rothenburger Augustschießen jetzt einen neuen Charakter zu geben und es in ein Volksfest umzuwandeln. Einige Rothenburger Bürger seien hier genannt, welche in den ersten Tagen des Jahres 1946 sich damit ernsthaft befassten. Es waren:
Wolfgang Reich, August Zahn, Otto Stephan, Willi Paschke, Paul Weinhold, Hermann Krischik, Alfred Piche, Ernst Persicke und sicher noch einige mehr!
Jetzt galt es, aus nichts viel zu machen. Anlehnend an die Termine des früheren Augustschießens wurde als Beginn des Volksfestes der erste Sonntag nach dem 03.August festgelegt. Das war der Anfang der Arbeit. Das erste Volksfest wurde unter das Motto „ Sommerfest in Rothenburg vom 10. – 12.August gestellt. Da der Park durch die Bodenreform an die Stadt versiedelt wurde, legten wir den Festplatz auf eine der Wiesen im Park fest. Als eine der nächsten Aufgaben war es, die sich bildende Laienspielgruppe zu interessieren und das gelang zur Freude aller. Als Platz für die Aufführung legten wir den Platz der jetzigen Freilichtbühne fest. Nun soll man nicht denken, dass der Platz schon eine Freilichtbühne war! Er war ein Teil des Parkes. Provisorische Sitzgelegenheiten wurden geschaffen und die erste Bespielung fand mit großem Erfolg und viel Freude bei der Bevölkerung statt. Um der gesamten Bevölkerung Gelegenheit zu geben, sich an dem Volksfest zu beteiligen, sprachen wir alle Gewerbetreibenden und Handwerker an, eine Gewerbeschau und Wettbewerbe durchzuführen und wir hatten dabei einen guten Erfolg.
In den Sammlungen unseres Stadtmuseums fand ich nach längerem Suchen das wohl 1. Sommerfestplakat aus dem Jahr 1946.
Aber war es auch wirklich das Erste?
Sommerfeste gab es schon 1921 in Hähnichen und 1927 in Geheege. So steht es im Rothenburger Anzeiger der betreffenden Jahrgänge.
In den darauf folgenden Jahren war das erste Wochenende im August für Besucher aus nah und fern ein Termin für Frohsinn und Lebensfreude. Die noch vorhandenen Festplakate der Jahre 1947 und 1951 zeugen davon. Die Organisation lag nun vollständig im Verantwortungsbereich der Stadtverwaltung von Rothenburg / Lausitz. Mit welcher Konsequenz zeigen vorhandene Unterlagen aus dem Jahr 1955. (11) Besonders beachtenswert ist, dass zeitweilig bis zu 40 Bürger der Stadt an den Vorbereitungen mitwirkten. Sie arbeiteten in einem Festausschuss unter der Leitung des jeweils amtierenden Bürgermeisters an der Bewältigung aller inhaltlichen und organisatorischen Fragen zur Durchführung eines erfolgreichen Volksfestes.
Im Jahr 1990 gründete sich der Rothenburger Schützenverein neu und nahm ab dem Jahr 2000 an der Gestaltung des Sommerfestes mit der Durchführung des legendären „Augustschießen“ teil. Dabei werden neben dem Jung- und Schützenkönig(in) des Rothenburger Schützenvereins e.V. auch in drei Kategorien die Schützenmeister der Stadt ermittelt.
Haben Sie mit bis hier mitgezählt?
Nein – macht nichts!
Das Rothenburger Sommerfest muss man nicht zählen, sondern erleben.
Quellenverzeichnis:
(1) Heimatbuch der Stadt Rothenburg, Band 2 von R.Matheus, 1935, Seite 28;
(2) Heimatbuch der Stadt Rothenburg, Band 2 von R.Matheus, 1935, Seite 86;
(3) Tophographie und Geschichte der Kreisstadt Rothenburg, Holscher,1844,S.6;
(4) Tophographie und Geschichte der Kreisstadt Rothenburg, Holscher,1844,S.6;
(5) Tophographie und Geschichte der Kreisstadt Rothenburg, Holscher,1844,S.6;
(6) Heimatbuch der Stadt Rothenburg, Band 2 von R.Matheus, 1935, Seite 134;
(7) Schützenbrauchtum in der Oberlausitz, P.Ixler, 1998, Seite 123;
(8) Rothenburger Anzeiger, 27.07.1896;
(9) Rothenburger Anzeiger, 02.08.1907;
(10)Verwaltungsakte der Stadtgemeinde Rothenburg, 3028, Schützengilde 1920 – 1935;
Für zweckdienliche Hinweise ist der Verfasser jederzeit dankbar.
12.02.2011 Hans-Joachim Wergien ( )